Wilder Wegesrand

Wildkräuter, Wildfrüchte & grünes Leben

Kamelle, Strüssjer und mein schlechtes Gewissen

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Seit ich in Köln wohne, bin ich Karneval-Fan. Die Woche des Straßenkarnvals nehme ich immer mit, die ein oder andere Sitzung auch schon mal. Und natürlich die Umzüge in den Kölner Veedeln – also den einzelnen Vierteln. Aber seitdem ich versuche, möglichst plastik- und abfallfrei zu leben, habe ich ein moralisches Problem..

Ganz anders als der riesige Rosenmontagszug, für den übrigens im Vorfeld alle möglichen Bordsteine mit Beton abgerundet werden, so dass die Wagen daran nicht umkippen (Ja, Kölle ist wirklich jeck!) und für den nach Karneval alles wieder abgekloppt wird, sind die Veedelszüge recht familiär, ursprünglich und einfach echt nett.

Karneval in Köln Ehrenfeld (Copyright: wilderwegesrand.de)

Gleich kommt dr‘ Zoch

Man trifft Nachbarn und Freunde, plauscht endlich mal wieder mit diesem und jenem, oder fragt sich, ob der Cowboy an der Laterne vielleicht der Schornsteinfeger von gestern Abend aus der Kneipe ist.

Verkleidung zu Karneval (Copyright: wilderwegesrand.de)

Blumenwiese, Milchshake und ein lecker‘ Schokokeks 🙂

Man holt oder wird mit jeder Menge Kölsch beschenkt (am frühen Nachmittag!) und brüllt sich die Seele aus dem Leib nach „Strüssjer und Kamelle“ – also nach Blumensträußchen und Süßigkeiten.

Kamelle, Strüssjer und Bützje

Und wenn man laut genug oder besonders nett gebrüllt hat, dann wird man mit eben jenem belohnt. Der ein oder andere Karnevalist aus dem Zug fordert auch schon mal ein Bützje für ein Strüssjer ein, also ein Küsschen auf die Wange oder mit spitzen Lippen „op dr Schnüss“ – was immer ein besonders netter Moment ist.

Karnevalsumzug in Köln Ehrenfeld (Copyright: wilderwegesrand.de)

Hier wird’s mit dem Bützen schwierig 😉

Kinders, macht die Taschen voll

Kein Kölner und auch kein jecker Immi (so nennt der Kölner die Zugezogenen, auch die aus Paderborn oder Stuttgart) würde zum „Zoch“ ohne eine (oder zwei oder drei) leere Tasche erscheinen. Für Kinder ist das natürlich ein riesiges Fest – Süßigkeiten bis zum Umfallen!

Karnevalsumzug Köln Ehrenfeld (Copyright: wilderwegesrand.de)

Gleich regnet’s jede Menge Kamelle und Strüssjer

Auch wenn die meisten Kamelle nicht wirklich lecker sind: Die mitgebracht(n) Tasche(n) füllen sind rasch.

Aber wohin nur mit dem ganzen Zeug?

Die Unmengen süßer Sachen isst man dann die nächsten Tage oder Wochen. Zunächst isst man die Leckeren, dann die halbwegs Leckeren. Aber den Hauptteil, also das fiese Zeugs, das wirft man nach Monaten mit schlechtem Gewissen weg.

Knusperreis (Copyright: wilderwegesrand.de)

Typische Kamelle: bunt aber nicht wirklich lecker

Und nun zu meinem moralischen Problem

Wir halten fest: Die meisten Kamelle sind allein schon wegen ihres Geschmacks per se Lebensmittel- und Ressourcenverschwendung at it’s best.

Und alle diese einzelnen Bonbons, Riegel, Kaugummis, Schaumzucker, Mini-Schockolädchen, Erdnuss-, Chips-, oder Flips-Portiönchen kommen dann auch noch einzeln in Plastik verpackt daher, damit sie nicht dreckig und ungenießbar werden, wenn sie auf die – ja, so ist es – meistens regennasse Straße fallen.

Leere Plastikverpackungen nach Karneval (Copyright: wilderwegesrand.de)

Was vom Kamelle-Feste übrig blieb: Jede Menge Plastikmüll

Wie ist das mit meinem zerowaste-und plastikfrei-Ambitionen zu vereinbaren? Gar nicht hingehen, keine Nachbarn und Freunde treffen, nicht den Jecken im Zoch winken, kein Kölsch trinken, keine Bützje erhaschen? Nein, das geht nicht.

"KrautLiese" mit Strüssjer (Copyright: wilderwegesrand.de)

Strüssjer fangen macht glücklich

Und wenn ich nur die Strüssjer fange? Sie sind für mich die Krönung des Wurfsegens, weil sie in der Vase noch tagelang an die jecke Zeit erinnern. ABER: Die meisten sind ebenfalls in Plastik eingepackt – was leider Sinn ergibt, da die unverpackten nach dem Auftreffen auf den Asphalt in wahrsten Sinne des Wortes geknickt aussehen und damit ganz umsonst geworfen wurden.

Ihr seht, es ist wirklich schwierig.

Hier also mein Vorsatz:

Ich gehe hin, ich trinke Kölsch aus Mehrwegflaschen oder aus der Kneipe. Ich werde brüllen. Ja, Strüssjer UND Kamelle. Das gehört sich so.

Ich werde ganz besonders laut brüllen, wenn ich unverpackte Strüssjer sehe, und hoffen, dass ich diese fange oder gegen ein Bützje gereicht bekomme. Aber ich werde mich auch nach den anderen, den plastikverpackten Strüssjer strecken und bücken. Denn mein kleines Blumenglück möchte ich nicht opfern.

Strüssje in der Vase (Copyright: wilderwegesrand.de)

Gesammelte Strüssjer – die halten lange

In Sachen Kamelle werde ich definitiv weniger einstecken, vielleicht ändert sich ja etwas, wenn die Jecken im Zoch mitbekommen, dass viel zu viel liegenbleibt.

Das ist jetzt alles so gar nicht zerowaste oder plastikfrei – aber es ist Karneval! Und danach beginnt auch für mich die Fastenzeit: die Plastikfastenzeit, in der ich mich sonst eigentlich ganz prima wohlfühle.

Und als Anregung, liebe Jecken im Zoch: Wie wäre es mit Bio-Plastik, Zellgras, oder einfach weniger und dafür gute Sachen werfen?

Februar 2020: Hier ein update: Das Plastikproblem und auch die Frage der Herkunft der Kamelle ist offenbar auch andereswo in der Diskussion – find ich super!

Alaaf!

Musikband vor Kiosk (Copyright: wilderwegesrand.de)

Am Nachbarschaftskiosk: Gute Stimmung auch wenn der Zoch schon vorbei ist

 

PS: Jeder echte Kölner möge mir mein Kölsch verzeihen 😉

Für Interessierte:

Kleine Geschichte der Weiberfassnacht (bitte NICHT ALTweiber!!! )

Kleines Kölsch-Lexikon

Und was zum singe: Kölsche Lieder 

 

 

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